Tauchen im Referendariat
Das Wichtigste in Kürze:
- Während des Referendariats steht grundsätzlich die Stationsarbeit an erster Stelle, sodass nur wenig Zeit zum Lernen bleibt.
- Für ein erfolgreiches Zweites Staatsexamen ist eine gute Vorbereitung erforderlich.
- Um sich auf die Klausuren vorzubereiten, erlauben deshalb einige Kanzleien den Referendaren, zu Hause zu bleiben und zu lernen. Diese Lernphase, in der Referendare nicht arbeiten, wird als „Tauchen“ bezeichnet. Nur wenige Referendare wissen allerdings, dass es auch in der Verwaltungsstation möglich ist, zu tauchen.
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Was ist Tauchen im Referendariat?
Tauchen im Referendariat bedeutet, dass Referendare für die Examensvorbereitung von der Stationsarbeit freigestellt werden. Im Rahmen des Staatsexamens haben Referendare nur wenig Zeit für die Examensvorbereitung. Auch bereitet die praktische Arbeit Referendare nicht auf die Examensklausuren vor. Um sich die letzten Monate vor den Klausuren konzentriert der Examensvorbereitung widmen zu können, stellen viele Anwaltskanzleien Referendare für mehrere Monate frei. Diese Zeit, in der Referendare formal bei einer Kanzlei ausgebildet werden, tatsächlich aber Lernen, wird als Tauchen bezeichnet.
Zulässigkeit
So schön die Möglichkeit auch klingt, sich über Monate hinweg fokussiert auf das Staatsexamen vorzubereiten, so ändert dies nichts daran, dass die Ausbildungsordnungen keine ausbildungsfreien Zeiten zum Lernen für Referendare vorsehen. Deswegen ist das Tauchen grundsätzlich nicht erlaubt. Das starke Bedürfnis der Referendare nach Lernzeit hat allerdings dazu geführt, dass sich das Tauchen dennoch etabliert hat. Es taucht heutzutage nahezu jeder Referendar und auch die meisten Ausbildungsgerichte dulden das Tauchen stillschweigend. Eine Ausnahme bildet hier das (Berliner) Kammergericht, welches – erfolglos – versucht, das Tauchen durch Kontrollen zu unterbinden.
Tauchstationen
Zum Tauchen eigenen sich insbesondere die Verwaltungsstation und die Anwaltsstation.
Anwaltsstation: Tauchzeit Verhandlungssache
Die meisten Referendare nutzen die Anwaltsstation zum Tauchen. Dies liegt einerseits daran, dass in den meisten Bundesländern die Anwaltsstation die letzte Station vor den Examensklausuren ist und deshalb der Bedarf nach Lernzeit am höchsten ist. Andererseits möchten Kanzleien attraktiv für Bewerber sein und sind deshalb bereit, Zeit zum Tauchen anzubieten. Grundsätzlich gilt, dass die Modalitäten, also ob und wenn ja, die Länge der Tauchzeit, Verhandlungssache sind. Grundsätzlich lässt sich sagen, dass das Tauchen insbesondere bei Großkanzleien sehr verbreitet ist und die Kanzleien häufig von sich aus eine Tauchphase anbieten. Wenn man also tauchen möchte, sollte man deshalb das Thema schon bei der Bewerbung für die Station ansprechen und eine gemeinsame Lösung finden.
Während der Rechtsanwaltsstation besteht für Referendare das Risiko, dass die Absprache bezüglich der Tauchzeit nicht eingehalten wird. Da das Tauchen nicht erlaubt ist, hat man als Referendar keine Möglichkeit, sich dagegen zur Wehr zu setzen. Wenn Ihr also tauchen wollt, dann müsst Ihr darauf vertrauen können, dass der Anwalt oder die Kanzlei die Absprache einhalten. Dies ist etwa bei Großkanzleien der Fall, deren Ruf unter den Referendaren beeinträchtigt würde, sollte einem Referendar eine vereinbarte Tauchphase nicht gewährt werden.
Verwaltungsstation: Richtigen Stationsgeber aussuchen
Auch wenn die Anwaltsstation üblicherweise zum Tauchen genutzt wird, eignet sich auch die Verwaltungsstation gut zum Tauchen. Bei Behörden ist es nicht möglich, eine Tauchphase zu vereinbaren. Allerdings gibt es Behörden, die dafür bekannt sind, dass Referendare (fast) nicht arbeiten müssen, sodass Referendare die Arbeitszeit dann zum Lernen nutzen können. Bei welchen Behörden das der Fall ist, lässt sich nicht allgemein sagen, allerdings gibt es in allen Bundesländern entsprechende Behörden. Deswegen macht es Sinn, sich im juristischen Umfeld umzuhören, wie die Arbeitsbelastung in den einzelnen Behörden ist. Auch im Bereich Erfahrungsberichte könnt Ihr euch über Erfahrungen im Rahmen der Verwaltungsstation informieren.
Das Tauchen während der Verwaltungsstation ist insbesondere dann zu empfehlen, wenn man eine Karriere als Anwalt anstrebt. Dann kann man die Verwaltungsstation nutzen, um sich intensiv auf das Examen vorbereiten, sodass man während der Anwaltsstation weniger lernen muss und deshalb mehr Zeit zum Arbeiten hat.
Länge der Tauchzeit
Wenn man sich gut auf das Examen vorbereiten möchte, dann ist es empfehlenswert, mindestens 4 Monate zu tauchen. Auch sollte man mehrere Wochen vor den Examensprüfungen frei haben, um sich auf die Klausuren vorzubereiten. Ob man darüber hinaus noch mehr Lernzeit benötigt, kommt darauf an, wie intensiv man sich auf das Examen vorbereiten möchte.
Übliche Tauchangebote von Kanzleien
In (Groß-)Kanzleien haben sich einige Tauchangebote etabliert, die typischerweise angeboten werden. Die beiden Grundmodelle sind das 5/4- und das 4/5-Modell. Beim 5/4-Modell arbeitet man fünf Monate lang vier Tage in der Woche, anschließend hat man vier Monate zum Tauchen, wobei man allerdings bedenken sollte, dass im letzten Monat der Anwaltsstation die Klausuren geschrieben werden. Bei diesem Modell haben Referendare deshalb von den vier Tauchmonaten nur drei Monate zum Lernen. Bei dem 4/5-Modell arbeitet man vier Monate lang fünf Tage in der Woche, anschließend hat man dann fünf Monate zum Tauchen, was faktisch zu vier Lernmonaten führt. Von diesen Grundmodellen wird allerdings häufig abgewichen, sodass es sich bloß um einen groben Richtwert handelt und die genauen Angebote von der Bewerberlage und dem Bundesland abhängen. Uns sind zum Beispiel auch Fälle bekannt, in denen Bewerber in einigen Bundesländern ein 3/3-Modell durchsetzen konnten.
Möchte man sich sehr umfassend auf das Examen vorbereiten, dann kann man auch versuchen, die gesamte Anwaltsstation zu tauchen. Die Anwaltsstation so auszugestalten, ist bei Großkanzleien in der Regel nicht möglich. Vielmehr ist es empfehlenswert, sich eine kleinere Anwaltskanzlei zu suchen, die bereit ist, eine solche Gestaltung zu unterstützen. Die Kanzlei selbst zieht aus einer solchen Gestaltung keinen Vorteil, sodass nur wenige Kanzleien solche Anfragen akzeptieren, entsprechend empfiehlt es sich, im persönlichen Umfeld Ausschau zu halten.
Optimierungsmöglichkeiten
Wenn man das Ziel verfolgt, möglichst viel Lernzeit zu haben, aber trotzdem spannende praktische Erfahrungen während der Anwaltsstation sammeln möchte, gibt es einige Wege, um diese beiden Interessen in Einklang zu bringen.
Verwaltungsstation und Anwaltsstation tauchen
Ein Weg ist es, dass man die Verwaltungsstation zum Tauchen nutzt, sodass man weniger Tauchzeit während der Anwaltsstation benötigt.
Anwaltsstation in einem anderen Bundesland
Die Angebote, die Kanzleien für das Tauchen anbieten, schwanken sehr zwischen den einzelnen Bundesländern. In den meisten Bundesländern ist es möglich, die Stationen in anderen Bundesländern zu absolvieren. Wenn man zu einem Ortswechsel bereit ist, hat man somit die Möglichkeit, Angebote aus anderen Bundesländern mit attraktiveren Konditionen anzunehmen. Hierfür bietet es sich beispielsweise an, die Anwaltsstation in Bayern zu absolvieren. In Bayern ist das prüfungsrelevante Recht besonders umfassend, so gehören etwa auch das Bayerische Wasserrecht und das Steuerrecht zum Prüfungsstoff. Deshalb bieten viele Kanzleien in Bayern an, dass man lediglich 3 Monate lang 3 Tage in der Woche arbeitet und anschließend 6 Monate tauchen kann. Demgegenüber sind solche Angebote etwa in Hamburg eher eine Seltenheit. Möchte man also die Tauchzeit erhöhen, macht es aus Sicht eines Hamburger Referendars Sinn, die Anwaltsstation in München zu absolvieren.
Vorherige Tätigkeit als Wissenschaftlicher Mitarbeiter oder Praktikant
Eine weitere Möglichkeit, um deutlich attraktivere Tauchangebote zu erhalten, ist es, dass man bei der Kanzlei, bei der man die Anwaltsstation absolviert, vorher als Wissenschaftlicher Mitarbeiter oder Praktikant tätig war. Wenn einen die Kanzlei bereits kennt und man ein gutes Verhältnis aufgebaut hat, dann honorieren dies Kanzleien manchmal dadurch, dass die Verhandlungsbereitschaft bezüglich der Tauchzeit deutlich höher ist. Wichtig ist es in solchen Konstellationen, dass das gute Verhältnis noch besteht, entsprechend sollte die Tätigkeit als Wissenschaftlicher Mitarbeiter oder Praktikant noch nicht zu lange her sein.
Vor- & Nachteile
Vorteile
Viel Wissen im Examen erforderlich
Auch wenn man im Zweiten Staatsexamen auf Kommentare und Gesetze zurückgreifen kann, ändern diese Hilfsmittel nichts daran, dass viel Wissen erforderlich ist, um erfolgreiche Klausuren zu schreiben. Indem die meisten Stationen im Laufe des Referendariats zum einen nicht (ausreichend) auf die Klausuren vorbereiten und zum anderen nicht ausreichend Zeit zum Lernen lassen, benötigt man die Tauchphase, um das erforderliche Wissen aufzubauen.
Tauchen sehr verbreitet
Außerdem erfolgt die Bewertung von juristischen Klausuren immer auch relativ zu den anderen Prüflingen. Da das Tauchen inzwischen weit verbreitet ist, wäre man ohne Tauchphase relativ zu den anderen Referendaren deutlich schlechter vorbereitet, sodass die geringere Lernzeit auch zu schlechteren Bewertungen führen würde.
Teilweise argumentieren Kanzleien im Bewerbungsprozess, dass man die Tauchzeit nicht brauche, schließlich könne man in der Kanzlei anfangen zu arbeiten, sodass die Examensnote keine Rolle spiele. Dieses Vorgehen würde allerdings zu einer sehr großen Abhängigkeit von der Kanzlei führen. Denn mit einer guten Examensnote kann man zwischen vielen Kanzleien wählen, während das Versprechen Eures Chefs – wenn überhaupt – nur in seiner Kanzlei gilt.
Nachteile
Tauchen ist unzulässig
Gegen das Tauchen spricht zum einen, dass es nicht zulässig ist. Bei der Gewichtung dieses Arguments sollte man allerdings berücksichtigen, dass das Tauchen in den allermeisten Fällen nicht zu Problemen führt, da es sehr verbreitet ist und die Kanzleien wissen, wie man das Tauchen in der Praxis umsetzt.
Weniger praktische Einblicke
Auch führt die Tauchphase dazu, dass man während der Stationen weniger praktische Erfahrung sammelt. Insbesondere wenn man sich vorstellen kann, später als Anwalt zu arbeiten, kann man die Anwaltsstation gut dazu nutzen, eine oder mehrere Kanzleien kennenzulernen. Taucht man in der Station (teilweise), nimmt man sich die Möglichkeit, die praktischen Erfahrungen zu sammeln. Auch bei diesem Argument sollte man allerdings berücksichtigen, dass man einen guten Kompromiss finden kann, indem man einen Teil der Station in einer Kanzlei verbringt und teilweise lernt.