Jura-Referendariat
Wahlstation

Die Wahlstation Referendariat

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Tobias Escherich
Aktualisiert am 
24.7.2024
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Das Wichtigste in Kürze

  • Referendare unterliegen bei der Auswahl des Stationsgebers fast keinen Beschränkungen.
  • Rechtsreferendare stehen deshalb vor der „Herausforderung“, aus den grenzenlosen Möglichkeiten eine passende Station auszusuchen.
  • Folgende Kriterien sind für die Auswahl der passenden Wahlstation besonders relevant: : Bezahlung; Freizeit; Einblicke; Interesse; Berufseinstieg; Auslandserfahrung und Examensvorbereitung.

Was ist die Wahlstation?

Die Wahlstation ist die letzte Station im Jura-Referendariat. Die Wahlstation folgt auf die Examensklausuren. Im Anschluss an die Wahlstation findet die mündliche Prüfung statt, mit der das Referendariat endet. In der Wahlstation haben Referendare die Möglichkeit, sich den Stationsgeber frei auszusuchen. Während in den vorherigen Stationen starke Beschränkungen bestehen, so muss man etwa die Zivilstation bei einem Richter verbringen, können Referendare in der Wahlstation vollständig den eigenen Wünschen nachgehen.

Die große Auswahl führt allerdings dazu, dass man schnell von den vielfältigen Möglichkeiten "erschlagen" wird.

Besonderheit: Hamburger Referendare haben zwei Wahlstationen, dieser Artikel bezieht sich in Hamburg auf die Wahlstation II.

Wie findet man den richtigen Stationsgeber?

In der Wahlstation haben Referendare sehr große Freiheiten bei der Ausgestaltung der Station. Um die richtige Station zu finden, sollten sich Referendare deshalb zuerst überlegen, welche Ziele sie mit der Wahlstation verfolgen.

Bei der Auswahl der Station sollten Referendare folgende Faktoren berücksichtigen:

  • Die Möglichkeit, Einblick in Bereiche zu erhalten, die einem für gewöhnlich verschlossen bleiben.
  • Die Gelegenheit, einen potenziellen Arbeitgeber kennenzulernen.
  • Die Vergütung, sofern man für einen LL. M. oder eine Promotion finanzielle Rücklagen benötigt.
  • Die Möglichkeit seinen persönlichen Horizont durch Auslandserfahrung zu erweitern.
  • Ausreichend Zeit für die Vorbereitung auf die mündliche Prüfung.

Was verdient man in der Wahlstation?

Wenn Referendare nach dem Referendariat einen hohen Geldbedarf haben, etwa aufgrund einer größeren Reise, eines LL. M. oder einer Promotion, die aus Rücklagen finanziert werden soll, können Referendare die Wahlstation nutzen, um die Rücklagen aufzubessern.

Bei größeren Kanzleien sind in der Wahlstation Gehälter bis zu 7.500 Euro im Monat möglich (z. B. bei Milbank oder Kirkland & Ellis). Zusammen mit der Unterhaltsbeihilfe sind so – je nach Bundesland – Gehälter bis zu ca. 9.000 € brutto im Monat möglich. Wenn Referendare sonst sparsam leben, ist es so möglich, einen niedrigen fünfstelligen Betrag im Laufe der Wahlstation anzusparen.

Referendare sollten allerdings bedenken, dass die Kanzleien nicht „weglaufen“. Auch nach dem Referendariat können Referendare noch in Kanzleien als Wissenschaftliche bzw. Juristische Mitarbeiter oder Anwälte tätig werden. Entsprechend sollten Referendare die Bezahlung nur dann hoch gewichtigen, wenn sie das Geld direkt nach dem Referendariat benötigen.

Inspirationen:

Wo arbeitet man am wenigsten?

Die Zeit vor den Examensklausuren und auch die Klausuren des zweiten Staatsexamens selbst sind sehr anstrengend. Entsprechend bietet es sich an, die Wahlstation zum Entspannen zu nutzen. Dies bietet sich insbesondere dann an, wenn man einen Arbeitsvertrag für die Zeit unmittelbar im Anschluss an das Examen bereits unterschrieben hat. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen Referendare einen Stationsgeber mit niedriger Arbeitsbelastung auswählen.

Es gibt keine pauschalen Regeln dafür, dass bestimmte Station eine besonders niedrige Arbeitsbelastung aufweisen. Vielmehr gibt es einzelnen Behörden, Kanzleien oder Unternehmen, die keine hohen Anforderungen an Referendare stellen.

Bedeutung der Wahlstation für den Berufseinstieg

Die Wahlstation ist die letzte Station des Referendariats. Referendare, die direkt nach dem Referendariat anfangen möchten zu arbeiten, können die Wahlstation nutzen, um einen potenziellen Arbeitgeber kennenzulernen.

Gerichte / Staatsanwaltschaft

Wer später bei Gericht oder bei der Staatsanwaltschaft arbeiten möchte, kann die Wahlstation nutzen, um sich die Staatsanwaltschaft oder ein Gericht noch einmal anzuschauen. Referendare, die einen solchen Berufsweg einschlagen möchten, sollten allerdings berücksichtigen, dass sie die Staatsanwaltschaft in der Regel bereits aus der Strafstation und die Gerichte aus der Zivilstation kennen. Insofern ist der Erkenntnisgewinn durch die Wahlstation typischerweise nicht besonders hoch. Deswegen bietet sich eine Station bei der Staatsanwaltschaft bzw. bei Gericht dann an, wenn Referendare ein bestimmtes Gericht oder eine bestimmte Abteilung der Staatsanwaltschaft kennenlernen möchten.

Kanzleien

Referendare, die mit dem Gedanken spielen, als Rechtsanwalt tätig zu arbeiten, können die Wahlstation zur Berufsorientierung nutzen. Grundsätzlich nicht zu empfehlen ist es, in der Wahlstation noch einmal in die Kanzlei aus der Anwaltsstation zu gehen. Die Zeit der Anwaltsstation reicht aus, um sich gegenseitig kennenzulernen. Entsprechend bietet die Wahlstation keinen Erkenntnisgewinn.

Deshalb ist es empfehlenswert, die Wahlstation zu nutzen, um den eigenen Horizont zu erweitern. Deshalb würden wir Euch empfehlen, lieber eine andere Kanzlei und unter Umständen sogar ein neues Rechtsgebiet in der Wahlstation auszuprobieren.

Von diesem Grundsatz gibt es allerdings zwei Ausnahmen:

  • Auslandsbüros: Plätze in Auslandsbüros von Kanzleien bekommen nur wenige Referendare angeboten. Wenn ein Referendar ein solches Angebot von der Kanzlei der Anwaltsstation erhalten, ist es natürlich empfehlenswert, die Wahl- und Anwaltsstation bei der gleichen Kanzlei zu verbringen.
  • Längere Beziehung & sicherer Berufseinstieg: Wenn Referendare schon länger Kontakt zu einer Kanzlei haben, indem sie dort etwa Praktika absolviert und als Wissenschaftlicher Mitarbeiter gearbeitet haben, kann es sinnvoll sein, neben der Anwalts- auch die Wahlstation bei der Kanzlei zu verbringen. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Referendar sicher in der Kanzlei anfängt zu arbeiten. Dann könnte es zu Irritationen führen, wenn der Referendar plötzlich für die Wahlstation die Konkurrenz kennenlernen möchte.

Sonstige Jobs

Wer sich für andere juristische und nicht-juristische Jobs interessiert, kann die Wahlstation gut nutzen, um sich den potenziellen späteren Arbeitgeber anzuschauen. Hierfür kommen etwa Notare, Rechtsabteilungen von Unternehmen, Unternehmensberatungen, das Investment Banking oder die Tätigkeit im Private Equity in Betracht.

Inspirationen

Einzigartige Einblicke

Es wird nie wieder so einfach sein, einen Einblick in spannende Behörden, Unternehmen, Gerichte, Botschaften oder Ministerien zu bekommen, wie während des Referendariats. Während der Wahlstation bestehen fast keine Einschränkungen mehr, sodass die Möglichkeiten für Referendare fast unbeschränkt sind.  

Wenn Referendare später im Berufsleben solche Einblicke erhalten möchten, müssen sie in der Regel ihren Job wechseln. Deshalb bietet das Referendariat die einzigartige Möglichkeit, wirklich spannende Einblicke in Bereiche zu bekommen, die einen schon immer einmal interessiert haben. Wenn es eine Sache gibt, für die Ihr euch schon immer einmal interessiert habt, dann würden wir Euch ans Herz legen, die Wahlstation zu nutzen, um Euch diesen Bereich anzuschauen.

Inspirationen:

Auslandserfahrung

Viele Arbeitgeber erwarten, dass Bewerber über Auslandserfahrung verfügen. Dabei geht es zum einen um die Sprachkenntnisse und zum anderen um Fähigkeiten wie Eigenverantwortung, Eigeninitiative und Selbstorganisation. Insbesondere für Referendare, die nicht bereits in der Schule, im Studium oder im Referendariat Zeit im Ausland verbracht haben, bietet sich die Wahlstation an, um ins Ausland zu gehen.

Als Stationsgeber kommen Kanzleien, Unternehmen, Behörden und teilweise internationale Organisationen in Betracht. Hierbei müssen Referendare bedenken, dass Behörden und internationale Organisationen in der Regel keine Vergütung zahlen. Aufgrund der hohen Kosten, die mit einem Auslandsaufenthalt verbunden sind, muss deshalb mit hohen finanziellen Belastungen gerechnet werden.

Wenn Referendare die finanziellen Belastungen geringhalten möchten, bietet es sich an, die Wahlstation in einem ausländischen Büro einer deutschen Großkanzlei zu absolvieren.

Die Kanzleien bezahlen den Referendaren üblicherweise die (hohen) deutschen Referendarsgehälter. Mit diesen Gehältern lassen sich die hohen finanziellen Belastungen gut stemmen. Allerdings bieten Kanzleien solche Plätze in der Regel nur an, wenn Referendare entweder bereits die Anwaltsstation bei der Kanzlei verbracht haben und/oder anschließend anfangen, bei der Kanzlei zu arbeiten.

Auch ist die Arbeitsbelastung in den ausländischen Büros der Kanzleien häufig eher gering. Schließlich können Referendar in ausländischen Büros nicht besonders gut mitarbeiten, da ihnen die Kenntnisse im ausländischen Recht fehlen.

Im Unterschied dazu ist die Arbeitsbelastungen bei Behörden im Ausland eher hoch. Insbesondere beim Auswärtigen Amt, also bei Konsulaten und Botschaften ist es üblich, 40 Stunden in der Woche zu arbeiten.

Inspirationen:

Wie wichtig ist die Vorbereitung auf die mündliche Prüfung?

Auch wenn die Klausuren bereits geschrieben wurden, sollte man die Vorbereitung auf die mündliche Prüfung nicht ganz aus den Augen verlieren. Zwar hat man das meiste relevante Wissen bereits für die schriftlichen Prüfungen gelernt haben. Dennoch handelt es sich um ein anderes Prüfungsformat, das andere Fähigkeiten erfordert. Kandidaten benötigen zwar weniger Detailwissen, dafür jedoch umso mehr schnell abrufbare Grundlagenkenntnisse.

Wie viel Zeit man für die Vorbereitung benötigt, hängt von den individuellen Kenntnissen und Ansprüchen ab. Für die meisten Referendare reicht es, sich wenige Wochen intensiv auf die mündliche Prüfung vorzubereiten. Wenn Ihr mehr Tipps für die mündliche Prüfung im zweiten Examen haben wollt, solltet Ihr Euch unseren Beitrag dazu durchlesen.

Viele Bundesländer bieten begleitend zur Wahlstation eine Arbeitsgemeinschaft an, die auf die mündliche Prüfung und vor allem den Aktenvortrag vorbereitet. In vielen Bundesländern kann man sich von der Arbeitsgemeinschaft befreien lassen, wenn man die Station im Ausland bzw. einem anderen Bundesland absolviert. 

Vorlaufzeit für die Bewerbung

Auch wenn die Wahlstation die letzte Station des Referendariats ist, sollten sich Referendare rechtzeitig Gedanken machen, wie Sie die Station ausgestalten möchten. Viele der sehr beliebten Stationen, etwa in Rechtsabteilungen von Bundesligavereinen, beim Bundesverfassungsgericht oder im Bundeskanzleramt, sind weit im Voraus belegt.

Entsprechend sollten sich Referendare schon in den ersten Monaten des Referendariats bewerben. Sonst besteht das Risiko, dass es bei der Wunschstation keine Plätze mehr gibt. Für die genauen Vorlaufzeiten schaut gerne bei unseren Erfahrungsberichten vorbei.

Vorgaben für die Wahlstation

Häufig gestellte Fragen

Welche Faktoren sind bei der Auswahl der Wahlstation wichtig?
Neben der Möglichkeit Einblicke in Bereiche zuerhalten, die einem für gewöhnlich verschlossen bleiben und dem kennenlernen potenzieller Arbeitgeber, sollte man insbesondere auf die Vergütung und ausreichend Zeit für die Examensvorbereitung achten. Auch bietet es sich an die Möglichkeit einer Station im AUsland in Betracht zu ziehen. ‍
Wann sollte man sich für die Wahlstation bewerben?
Insbesondere, wenn man zu einem beliebten Stationsgebern, wie Bundesministerien, Fußballvereinen oder DAX-Unternehmen möchte, sollte man sich im Idealfall bereits zu Beginn des Referendariats bewerben.
Lohnt sich eine Wahlstation im Ausland
Eine Wahlstation im Ausland zahlt sich sowohl aus persönlicher Sicht als auch beruflicher Sicht aus. EinAuslandsaufenthalt fördert neben den Sprachkenntnissen die Eigenständigkeit und den kulturellen Horizont. Außerdem legen die meisten Arbeitgeber bei der Bewerberauswahl mittlerweile großen Wert auf Auslandserfahrung.