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Mord Schema

Prüfungsschema für den Mord

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Tobias Escherich
Aktualisiert am 
2.12.2025
3
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Prüfungsschema: Mord

Prüfungsschema für den Mord, § 211 StGB
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Wie ist der Tatbestand des Mordes?

Der Tatbestand des Mordes setzt sich aus dem objektiven und dem subjektiven Tatbestand voraus. Der objektive Tatbestand erfordert, dass durch eine Handlung eine andere Person getötet wird. Der subjektive Tatbestand setzt voraus, dass der Täter mit Willen und Wollen handelt. Für den subjektiven Tatbestand reicht der Eventualvorsatz aus. Der Eventualvorsatz liegt vor, wenn der Täter es für möglich hält, dass seine Handlung eine Person tötet und er es akzeptiert.

Das zentrale Element der Prüfung des Mordes sind die Mordmerkmale. Die Mordmerkmale werden in zwei Gruppen unterteilt, die objektiven Mordmerkmale (Heimtücke, Grausam & gemeingefährliche Mittel) und die subjektiven Mordmerkmale (Habgier, Ermöglichungs- und Verdeckungsabsicht, niedrige Beweggründe, Mordlust und die Befriedigung des Geschlechtstriebes).

Die objektiven Mordmerkmale werden – wie der Name verrät – im objektiven Tatbestand geprüft. Das bedeutet insbesondere auch, dass sich der Vorsatz auch auf das objektive Mordmerkmal beziehen muss. Im Folgenden die Definitionen zu den jeweiligen Mordmerkmalen:

  • Heimtücke: Die Heimtücke liegt vor, wenn die die auf Arglosigkeit beruhende Wehrlosigkeit des Opfers bewusst ausnutzt. Arglos ist, wer sich zur Zeit der Tat keines Angriffs auf Leib oder Leben versieht. Wehrlos ist, wer infolge der Arglosigkeit in seinen Verteidigungsmöglichkeiten eingeschränkt ist. Vor dem Hintergrund der lebenslangen Freiheitsstrafe ist es bei der Heimtücke besonders wichtig, strenge Maßstäbe an die Prüfung des Mordmerkmales anzulegen. Teilweise werden in der Literatur auch strengere Definitionen vertreten, so wird teilweise verlangt, dass ein verwerflicher Vertrauensbruch vorliegen muss. Gegen diese Einschränkung spricht jedoch, dass damit besonders verwerfliche Morde (z.B. durch Auftragsmörder) nicht von der Heimtücke erfasst würden.
  • Grausamkeit: Das Merkmal der Grausamkeit liegt vor, wenn dem Opfer besondere Schmerzen oder Qualen körperlicher oder seelischer Art aus gefühlsloser, unbarmherziger Gesinnung zugefügt werden.
  • Gemeingefährliche Mittel: Ein gemeingefährliches Mittel liegt vor, wenn ein Tötungsmittel eine (nicht unbedingt konkrete) Lebensgefahr für eine Mehrzahl von Personen schafft, weil der Täter die Ausdehnung nicht in seiner Kontrolle hat.

Wann liegt der subjektive Tatbestand vor & wie werden subjektive Mordmerkmale geprüft?

Die subjektiven Mordmerkmale werden im subjektiven Tatbestand geprüft. Es ist dabei üblich, zuerst den Vorsatz zu prüfen und anschließend sich den subjektiven Mordmerkmalen zu widmen:

  • Habgier: Habgier ist das ungezügelte und rücksichtslose Gewinnstreben um jeden Preis. Beispielsweise ein Auftragsmörder handelt etwa aus Habgier. Dabei erfasst die Habgier auch, wenn man einen Menschen tötet, um Aufwendungen zu ersparen oder um die Beute zu sichern. Es gibt dabei auch keine „Bargatellgrenze“, somit liegt die Habgier auch vor, wenn der erlangte Vermögensvorteil besonders gering ist.
  • Ermöglichungsabsicht: Die Ermöglichungsabsicht liegt vor, wenn der Täter die Tötung nutzt, um eine weitere Straftat begehen zu können. Dabei muss es sich um eine andere Straftat handeln. Wer beispielsweise mit Tötungsvorsatz durch eine Polizeisperre fährt, handelt nicht mit Ermöglichungsabsicht, da die Tötungs- und Widerstandshandlung zusammenfallen.
  • Verdeckungsabsicht: Die Verdeckungsabsicht liegt vor, wenn der Täter eine andere Person tötet, um eine andere Straftat zu verdecken. Die Verdeckungsabsicht erfasst dabei ausschließlich die Verdeckung von anderen Straftaten, sodass beispielsweise das Verdecken von Ordnungswidrigkeiten nicht erfasst wird. Bei der Verdeckungsabsicht muss der Täter bezüglich der Verdeckung Absicht (also dolus directus 1. Grades) aufweisen, bezüglich der Tötung reicht hingegen der Eventualvorsatz aus. Die Verdeckungsabsicht liegt auch dann vor, wenn der Täter durch die Tötung außerstrafrechtliche Konsequenzen vermeiden möchte.
  • Niedrige Beweggründe: Niedrige Beweggründe liegen dann vor, wenn die Beweggründe des Täters nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe stehen und besonders verwerflich sind. Im Rahmen der Prüfung ist es wichtig, eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen, unter Berücksichtigung der Tatumstände, der Persönlichkeit und Lebensverhältnisse des Täters. So kommen besonders niedrige Beweggründe beispielsweise in Betracht, wenn das menschliche Leben besonders geringgeschätzt wird (z.B. Selbstjustiz, Tötung einer Frau nach einer Trennung usw.) oder bei einem krassen Missverhältnis zwischen dem Anlass und der Tat.  
  • Mordlust: Mordlust liegt vor, wenn die Tötung des Opfers der einzige Zweck der Tat ist, indem der Täter aus purer Freude an der Vernichtung eines Menschenlebens, diesbezüglicher Neugierde, Langeweile oder Angeberei handelt.
  • Befriedigung des Geschlechtstriebes: Das Merkmal der Befriedigung des Geschlechtstriebes ist erfüllt, wenn sich der Täter durch den Tötungsakt als solchen oder an der Leiche sexuelle Befriedigung verschaffen will oder mit dem Tod des Opfers bei einer Vergewaltigung rechnet.

Kann der Mord auch durch Unterlassen begangen werden?

Ein Mord kann grundsätzlich auch durch Unterlassen begangen werden. Erforderlich ist dafür, dass die Voraussetzungen für die Unterlassensstrafbarkeit (insb. die Garantenstellung) vorliegen. Bei den subjektiven Mordmerkmalen ist es unstrittig, dass der Mord durch Unterlassen möglich ist. Bei den objektiven Mordmerkmalen ist es hingegen umstritten, ob diese auch durch Unterlassen begangen werden können. Der Meinungsstand ist dabei bei den einzelnen Mordmerkmalen unterschiedlich:

  • Gemeingefährliche Mittel: Nach der herrschenden Meinung ist ein Mord mit gemeingefährlichen Mitteln durch Unterlassen nicht möglich. Hintergrund ist, dass sich aus dem Wortlaut („mit“) ergibt, dass der Täter die gemeingefährlichen Mittel selbst einsetzen muss. Das ist beim Unterlassen gerade nicht der Fall.
  • Grausam: Beim Mordmerkmal „grausam“ ist es unstrittig, dass es auch durch Unterlassen begangen werden kann. Hintergrund ist, dass es keinen Unterschied macht, ob der Täter das Opfer aktiv oder passiv leiden lässt.
  • Heimtücke: Nach Ansicht der herrschenden Meinung kann das Mordmerkmal der Heimtücke nicht durch Unterlassen erfüllt werden. Die Heimtücke setzt ein bewusstes Ausnutzen voraus, daran fehlt es in der Regel beim Unterlassen.

Häufig gestellte Fragen

In welchem Verhältnis stehen Mord und Totschlag zueinander?
Das Verhältnis zwischen Mord und Totschlag ist umstritten. Nach der Rechtsprechung handelt es sich um zwei eigenständige Delikte. Nach der überwiegenden Ansicht der Literatur ist der Mord die Qualifikation des Totschlages.
Wo werden objektive Mordmerkmale geprüft?
Objektive Mordmerkmale werden im objektiven Tatbestand geprüft. Das bedeutet insbesondere, dass sich der Vorsatz auch auf das Mordmerkmal beziehen muss.
Was sind subjektive Mordmerkmale?
Die subjektiven Mordmerkmale sind die Mordmerkmale der 1. und 3. Gruppe, also die Habgier, Mordlust, Befriedigung des Geschlechtstriebes, Ermöglichungsabsicht, Verdeckungsabsicht und die sonstigen niedrigen Beweggründe.
Kann das Mordmerkmal der Heimtücke bei Kindern erfüllt werden?
Das Mordmerkmal der Heimtücke kann nur bei Kindern entwickelt werden, die in der Lage sind, Heimtücke zu entwickeln. Diese Fähigkeit fehlt bei Kleinkindern (bis ca. 3 Jahre) grundsätzlich. Die Heimtücke kommt bei Kleinkindern in Betracht, wenn Abwehrinstinkte ausgeschaltet werden (z.B. süßes Gift) oder die Schutzbereitschaft von Dritten (idR Eltern) ausgeschaltet wird.
Ist Mord durch Unterlassen möglich?
Der Mord durch Unterlassen ist bei den subjektiven Mordmerkmalen ohne Einschränkung möglich. Bei den objektiven Mordmerkmalen ist es umstritten. Grundsätzlich wird der Mord durch Unterlassen bei gemeingefährlichen Mitteln und der Heimtücke abgelehnt.