Wie bekommen deutsche Rechtsanwälte einer Anwaltszulassung in England?
Das Wichtigste in Kürze:
- Deutsche Rechtsanwälte können unter bestimmten Bedingungen eine Zulassung als Rechtsanwalt (Solicitor) in Großbritannien erhalten.
- Grundsätzlich sind zwei Prüfungen erforderlich, wobei deutsche Volljuristen häufig von der zweiten Prüfung befreit werden.
- Die Kosten für eine Rechtsanwaltszulassung in UK betragen ungefähr zwischen 5.000 EUR und 15.000 EUR.
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Gründe für die Zulassung in UK für deutsche Rechtsanwälte
Die Zulassung als englischer Solicitor kann für deutsche Rechtsanwälte ein spannender Karriereschritt sein, wenn man für eine berufliche Tätigkeit in Großbritannien interessiert. Einen Mehrwert bietet die Zulassung als Solicitor auch, wenn man in der anwaltlichen Berufspraxis viele Mandate mit UK-Bezug bearbeitet. Gerade in grenzüberschreitenden Mandaten in den Bereichen M&A, Finance oder Schiedsverfahren, kommt es immer wieder englisches Recht zur Anwendung. Wer hier Kenntnisse im englischen Recht hat, kann seinen Mandanten in diesen Situationen besser beraten.
Die Doppelzulassung hat daneben auch Vorteile für den Lebenslauf, sie zeigt Sprachkompetenz, Flexibilität und internationale Ausrichtung.
Wie wird man als deutscher Rechtsanwalt Solicitor?
Seit 2021 gelten für alle, auch für im Ausland qualifizierte Juristen, die Regeln der SQE (Solicitors Qualifying Examination). Die wichtigsten Voraussetzungen sind:
- Berufsethik-Nachweis (Character & Suitability): Du musst nachweisen, dass du zuverlässig und integer bist. Das bedeutet vor allem, dass du keine schweren Vorstrafen o.ä. haben darfst.
- Nachweis über englische oder gleichwertige juristische Ausbildung: Als deutscher Volljurist mit 1. und 2. Staatsexamen erfüllt man diese Anforderung grundsätzlich.
- Bestehen der Solicitors Qualifying Examination: Letzte Voraussetzung ist das Bestehen der SQE. Eigentlich müssen dafür zwei Prüfungen absolviert werden, eine zum englischen Recht und eine, die Praxiskompetenzen überprüfen soll. Als deutscher Rechtsanwalt kannst du dich aber von der praxisorientierten Prüfung befreien lassen, sodass du nur die Prüfung im englischen Recht ablegen musst.
Das SQE-System: So läuft die Qualifikation ab
Seit 2021 gibt es in England und Wales ein neues Zulassungsverfahren für Solicitors: die Solicitors Qualifying Examination (SQE). Sie wurde eingeführt, um den Zugang zum Anwaltsberuf zu vereinheitlichen – für alle Bewerber, egal ob aus Großbritannien oder dem Ausland. Wer heute Solicitor werden will, muss grundsätzlich ein zweistufige Prüfungsverfahren der Solicitors Regulation Authority (SRA) durchlaufen.
- SQE1: Die erste Stufe, die sogenannte SQE1, ist eine schriftliche Prüfung im Multiple-Choice-Format. Sie besteht aus zwei Testeinheiten mit jeweils 180 Fragen und wird an zwei aufeinanderfolgenden Tagen geschrieben. Geprüft wird nicht bloß auswendig gelerntes Wissen, sondern das Verständnis zentraler Rechtsgebiete und die Fähigkeit, sie praktisch anzuwenden. Zu den Prüfungsinhalten gehören unter anderem das englische Vertragsrecht, das Deliktsrecht (Tort), Sachenrecht, Trusts, Strafrecht und Strafprozessrecht sowie das Zivilprozessrecht und das öffentliche Recht inklusive Menschenrechte. Auch das berufsrechtliche Ethikverständnis eines Solicitors spielt eine wichtige Rolle – es zieht sich als Querschnittsthema durch viele Fragen.
- SQE2: Anschließend muss die SQE2 absolviert werden. Diese Prüfung ist stark praxisorientiert und umfasst sowohl schriftliche als auch mündliche Teile. Hier geht es darum, zentrale berufliche Kompetenzen nachzuweisen, die für den Anwaltsberuf in England relevant sind: Gesprächsführung mit Mandanten, Aktenauswertung, rechtliche Analyse, Schriftsatzformulierung, aber auch simulierte Verhandlungen und Plädoyers. Die gute Nachricht ist, dass die SQE2 für viele deutsche Bewerber erfreulicherweise unter bestimmten Bedingungen entbehrlich ist.
Wer das deutsche Staatsexamen gewohnt ist, muss sich hinsichtlich der Fragen beim SQE1 umgewöhnen: Die Fragen sind zwar formal Multiple Choice, doch oft gibt es mehrere vertretbare Antworten – gesucht wird die „bestmögliche“ Lösung. Das erfordert ein besonders strukturiertes Vorgehen und viel Übung im spezifischen Prüfungsstil. Die Durchfallquote liegt nicht ohne Grund bei über 50 Prozent. Umso wichtiger ist eine gezielte Vorbereitung, etwa mit Testsimulationen und englischsprachigem Fachtraining. Da man als deutscher Volljurist Erfahrung mit schwierigen juristischen Prüfungen in allen Rechtsgebieten und der Vorbereitung darauf hat, ist es mit guter Vorbereitung sehr gut möglich die Prüfung zu bestehen.
Wichtig ist: Die Prüfungen selbst sind kostenpflichtig – derzeit liegen die Gebühren für die SQE1 bei rund 1.600 Pfund, für die SQE2 bei etwa 2.600 Pfund.
Ausnahme: Wann entfällt die SQE2-Prüfung?
Die SQE2 ist der praxisnahe Teil des Zulassungsverfahrens und prüft Fähigkeiten wie Mandantenberatung, Aktenanalyse, Schriftsatzformulierung oder das Halten von Plädoyers. Für deutsche Juristen, die bereits in Deutschland als Rechtsanwalt oder Rechtsanwältin zugelassen sind, besteht jedoch die Möglichkeit, sich ganz oder teilweise von dieser Prüfung befreien zu lassen.
Diese Ausnahme wird nicht automatisch gewährt – sie muss individuell beantragt und mit aussagekräftigen Nachweisen untermauert werden. Die SRA prüft dann, ob deine bisherigen Qualifikationen und praktischen Erfahrungen dem Niveau der SQE2 entsprechen.
Voraussetzungen für eine mögliche Befreiung:
- Abgeschlossene juristische Ausbildung mit 1. und 2. Staatsexamen
- Zulassung als Rechtsanwalt oder Rechtsanwältin in Deutschland
- Praktische Erfahrung in relevanten Bereichen, z. B.: Mandantengespräche, Erstellung von Schriftsätzen und Gutachten, Teilnahme an Verhandlungen oder Gerichtsverfahren, Beratung im materiellen und prozessualen Recht
Die SRA verlangt detaillierte Unterlagen, die Deine Fähigkeiten belegen. Dazu gehören z.B.:
- Arbeitszeugnisse (z. B. von Kanzleien oder Unternehmen)
- Referenzen oder Bestätigungen von Vorgesetzten
- Ausbildungsnachweise (z. B. Stationszeugnisse im Referendariat)
- Optional: Schriftsatzproben oder anonymisierte Fallbeispiele
Tipp: Reiche deine Nachweise möglichst in englischer Sprache ein oder füge beglaubigte Übersetzungen bei – das erhöht die Bearbeitungsgeschwindigkeit und reduziert Rückfragen.
Nach Einreichen des Antrags prüft die SRA deine Unterlagen individuell. Eine Entscheidung kann mehrere Wochen in Anspruch nehmen. Der Antrag sollte daher frühzeitig gestellt werden – idealerweise bevor du dich verbindlich zu einem Vorbereitungskurs oder Prüfungstermin anmeldest.
Wenn die Befreiung erteilt wird, musst du nur noch die SQE1 bestehen, um dich anschließend zur Solicitor-Zulassung eintragen zu lassen.
Ist ein Sprachnachweis erforderlich?
Ein offizieller Sprachnachweis wie TOEFL oder IELTS ist für die SQE nicht verpflichtend. Trotzdem solltest du deine Englischkenntnisse nicht unterschätzen: Die gesamte Prüfung, inklusive der Multiple-Choice-Fragen in SQE1 und der praktischen Aufgaben in SQE2, wird auf Englisch abgehalten. Du musst nicht nur juristische Fachbegriffe verstehen, sondern auch komplexe Texte analysieren und selbst sprachlich präzise argumentieren können.
Empfehlenswertes Sprachniveau:
- Mindestens C1-Niveau (Gemeinsamer Europäischer Referenzrahmen)
- Sicherer Umgang mit juristischer Fachsprache im schriftlichen und mündlichen Bereich
- Erfahrung mit Vertragstexten, Gerichtsbeschlüssen und Fachartikeln auf Englisch
Wer bislang wenig mit Legal English zu tun hatte, sollte sich gezielt vorbereiten. Besonders hilfreich sind:
- Onlinekurse wie „Legal English UK“ oder „TransLegal“
- Die Lektüre britischer Fachzeitschriften
- Lesen von Lehrbücher zum englischen Recht
- Vertragstexte in englischer Sprache
Tipp: Wenn du dir unsicher bist, teste dein Sprachniveau, indem du eine echte SQE1-Probefrage auf Englisch löst. Wenn du Schwierigkeiten mit dem Sprachtempo oder der Begründung hast, lohnt sich gezieltes Sprachtraining.
Auch wenn kein formeller Sprachtest verlangt wird, ist die Sprache ein entscheidender Erfolgsfaktor. Sie entscheidet darüber, ob du die Fragen richtig interpretierst, die Aufgaben effizient bearbeitest und letztlich in der Prüfung souverän auftrittst.
Vorbereitungskurse & Anbieter
Da das britische Rechtssystem auf dem Common Law basiert und sich damit grundlegend von den kontinentaleuropäischen Rechtsordnungen wie dem deutschen Recht unterscheidet, ist eine fundierte Vorbereitung auf die SQE1 essenziell – auch für erfahrene deutsche Juristen. Neben dem materiellen Recht stellt auch der Prüfungsstil, insbesondere die anwendungsorientierten Multiple-Choice-Fragen, stellt eine Herausforderung dar, die gezielt trainiert werden sollte.
Es gibt jedoch gute Vorbereitungskurse, die dich bei der gezielten Vorbereitung unterstützen, sodass es mit ausreichend Zeit und Disziplin gut machbar ein ausreichendes Wissensniveau zu erreichen. Die Kurse umfassen zum Beispiel:
- die Vermittlung des englischen materiellen und prozessualen Rechts
- die Einführung in den Aufbau und die Bewertung von Multiple Choice-Fragen im SQE-Stil
- Juristisches Englisch (Fachbegriffe, Stil und Argumentation)
- Testsimulationen unter realistischen Bedingungen
- Zugriff auf digitale Lernplattformen, Live-Webinare oder Präsenzmodule
Viele Anbieter kombinieren eigenständiges Online-Lernen mit tutoriengestützter Vertiefung. Die Kursdauer variiert je nach Format zwischen drei Monaten (intensiv) und zwölf Monaten (berufsbegleitend).
Bekannte Anbieter für Vorbereitungskurse:
- BARBRI
- QLE (UK)
- The Lawyer Portal
- BPP University & University of Law
Eine ordentliche Vorbereitung auf die Prüfung(en) ist bei allen Anbietern möglich. Welchen Anbieter man wählen sollte, hängt letztlich von den persönlichen Präferenzen ab (Format, Dauer, Preis etc.).
Kostenrahmen:
- Vorbereitung für SQE1 (Kurs und Materialen): ca. 3.000–8.000 GBP
- Komplettpakete (SQE1 & 2, inkl. Kursmaterial): ca. 8.000 GBP–12.000 GBP
- Prüfungsgebühren der SRA:
- SQE1: 1.888 GBP (ab Oktober 2025 1.934 GBP)
- SQE 2: 2.902 GBP (ab Oktober 2025: 2.974 GBP)
Tipp: Kläre im Vorfeld, ob dein Arbeitgeber (z. B. Kanzlei oder Unternehmen) die Kosten ganz oder teilweise übernimmt. Einige Anbieter bieten auch Ratenzahlung an.
Eine ordentliche Vorbereitung auf die Prüfung(en) ist bei allen Anbietern möglich. Ein Vergleich der Kurse lohnt sich dennoch: Neben Preis und Dauer, Betreuung durch Tutoren, Erfolgsquote früherer Teilnehmender, zeitliche Flexibilität darauf wie gut man mit den Lernunterlagen klarkommt, achten. Die Entscheidung welcher Anbieter am besten geeignet ist, hängt dann von den eigenen Bedürfnissen und Präferenzen ab.
Zulassung & Eintragung bei der SRA
Nach dem erfolgreichen Abschluss der SQE1 (und ggf. SQE2) steht der letzte Schritt bevor: die Eintragung als Solicitor bei der SRA. Dieser Schritt ist formell, aber keineswegs rein administrativ – denn die SRA prüft dabei nochmals deine persönliche Eignung.
Voraussetzungen für die Eintragung:
- Nachweis über das Bestehen der erforderlichen Prüfungen (SQE1 / ggf. SQE2)
- Erfolgreiche Durchlaufen der „Character and Suitability“-Prüfung
- Nachweis ausreichender Englischkenntnisse im Rahmen der abgelegten Prüfungen
- Zahlung der Eintragungsgebühr (Stand 2025: ca. 90 GBP)
Die Eintragung erfolgt online über das SRA mySRA-Portal. Dort musst du:
- Alle relevanten Nachweise (z. B. Urkunden, Prüfungsbescheinigungen) hochladen
- Eine eidesstattliche Versicherung zur Richtigkeit deiner Angaben abgeben
- Die Eintragungsgebühr bezahlen
Nach erfolgreicher Prüfung durch die SRA wirst du offiziell als Solicitor of England and Wales in das Berufsregister eingetragen. Von diesem Moment an bist du berechtigt, den Titel zu führen und als Solicitor tätig zu sein – sei es in Großbritannien, in Deutschland oder international.
Hinweis: Auch wenn du nach der Eintragung nicht unmittelbar in UK tätig wirst, bist du an die beruflichen Standards und Verhaltensregeln der SRA gebunden. Dazu zählt unter anderem die Pflicht zur regelmäßigen Fortbildung und die Einhaltung der „SRA Principles“.
Berufsausweis & Nachweise
Nach der Registrierung erhältst du Zugang zu deiner offiziellen Solicitor-ID und kannst auf Wunsch einen digitalen Berufsausweis beantragen. Viele Kanzleien und Arbeitgeber verlangen diesen Nachweis bei der Einstellung oder zur Eintragung in das interne Kanzleiverzeichnis.
Damit ist der Prozess abgeschlossen – du bist nun vollwertiger Teil der englischen Anwaltschaft.