Jura-Studium
Abgrenzung Raub räuberische Erpressung

Wie erfolgt die Abgrenzung zwischen Raub & räuberischer Erpressung?

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Tobias Escherich
Aktualisiert am 
2.12.2025
4
 Min. Lesedauer

Das Wichtigste in Kürze:

  • Der Streit über die Abgrenzung von raub und räuberischer Erpressung kommt sehr häufig in juristischen Klausuren dran.
  • Nach Ansicht der Rechtsprechung erfolgt die Abgrenzung anhand des äußeren Erscheinungsbildes (Nehmen à Raub, Geben à Erpressung)
  • Nach der Lehre erfolgt die Abgrenzung danach, ob ein eine Vermögensverfügung vorliegt (Erpressung) oder nicht (Raub).
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Wie erfolgt die Abgrenzung zwischen Raub & räuberischer Erpressung?

Die Abgrenzung zwischen Raub und räuberischer Erpressung ist umstritten. Der Streit besteht im Wesentlichen zwischen der Rechtsprechung und der juristischen Lehre. Dabei werden die beiden folgenden Ansichten vertreten:

  • Äußeres Erscheinungsbild:  Die Abgrenzung zwischen dem Raub und der räuberischen Erpressung erfolgt nach Ansicht der Rechtsprechung nach dem äußeren Erscheinungsbild. Wenn der Täter eine Sache erkennbar wegnimmt, liegt ein Raub vor. Wenn der Täter sich hingegen eine Sache nach außen erkennbar geben lässt, liegt eine Erpressung vor. Bei dieser Abgrenzung handelt es sich um das Vorgehen der Rechtsprechung. Die Rechtsprechung geht dabei davon aus, dass der Raub eine Qualifikation der Erpressung ist.
  • Vermögensverfügung: In der rechtswissenschaftlichen Lehre und Forschung erfolgt die Abgrenzung vorwiegend anhand der Frage, ob eine Vermögensverfügung vorliegt oder nicht. In der Lehre wird überwiegend die Ansicht vertreten, dass sich der Raub und die räuberische Erpressung gegenseitig ausschließen. Die Abgrenzung, ob ein Raub oder eine räuberische Erpressung vorliegt, erfolgt anhand der Vermögensverfügung. Wenn das Opfer das Vermögen auch ohne eigene Mitwirkung verloren hätte, also keine Vermögensverfügung vorliegt, liegt ein Raub vor. Ist für den Vermögensverlust hingegen eine Mitwirkung des Opfers erforderlich, handelt es sich um eine räuberische Erpressung.

Welche Argumente sprechen für die jeweilige Ansicht?

Der Streit für die Abgrenzung zwischen dem Raub und der räuberischen Erpressung ist einer der größten Streitpunkte zwischen der Rechtsprechung und der juristischen Lehre.

Für die Ansicht der Rechtsprechung sprechen insbesondere die folgenden Argumente:

  • Wortlaut: Der Wortlaut des § 253 StGB sieht keine Vermögensverfügung vor, sodass es auch nicht zwingend erforderlich ist, eine Vermögensverfügung zu verlangen.
  • Erst-Recht-Schluss: An einer Vermögensverfügung fehlt es häufig bei Tätern, die besonders gewalttätig vorgehen, also sog. „vis absoluta“ vorliegt, indem der Wille des Opfers gebrochen wird. Wenn der Täter weniger aggressiv vorgeht, sodass der Wille nicht gebrochen, sondern nur Druck ausgeübt wird, liegt in den meisten Fällen eine Vermögensverfügung vor. Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb der besonders gewalttätige Täter von der Erpressung nicht erfasst werden sollte, der weniger aggressive Täter hingegen schon.

Allerdings sprechen auch für die Ansicht der Rechtsprechung überzeugende Argumente:

  • Systematik: Die Ansicht der Rechtsprechung führt dazu, dass der Raub die Qualifikation der räuberischen Erpressung darstellt. In diesem Fall würden allerdings der Grundtatbestand und die Qualifikation den gleichen Strafrahmen aufweisen. Dieses Ergebnis wäre sehr überraschend, weil in allen anderen Fällen die Qualifikation einen höheren Strafrahmen aufweist als der Grundtatbestand.
  • Systematik: Das Strafgesetzbuch ist so aufgebaut, dass der Grundtatbestand vor der Qualifikation steht (z.B. bei § 223 StGB und § 224 StGB). Wenn man der Ansicht der Rechtsprechung folgt, würde die Qualifikation (§ 249 StGB) allerdings vor dem Grundtatbestand (§ 255 StGB) stehen.
  • Systematik: Wenn man verlangt, dass eine Vermögensverfügung vorliegen muss, folgt man damit der sonst in den Vermögensdelikten bestehenden Unterteilung in Fremdschädigungsdelikte (z.B. Diebstahl) und Selbstschädigungsdelikte (z.B. Betrug), die eine Vermögensverfügung voraussetzen.

Wie wird die Abgrenzung zwischen Raub & räuberischer Erpressung in der Klausur dargestellt?

In einer Klausur im Studium oder im 1. Staatsexamen ist es üblich, bei der Abgrenzung zwischen dem Raub und der räuberischen Erpressung der Ansicht der Lehre zu folgen. Im Referendariat und im 2. Staatsexamen ist es dagegen sehr sinnvoll, der Ansicht der Rechtsprechung zu folgen. Vor dem Hintergrund, dass im 2. Staatsexamen erforderlich ist, ein praktisch verwertbares Ergebnis zu liefern, sollten sich Referendare der Ansicht der Rechtsprechung anschließen. Folgende Tipps sind für die Klausur hilfreich:

  • Streitfälle: Der Streit sollte nur dargestellt werden, wenn es auf den Streit ankommt oder die Klausur auf den Streit angelegt ist. Deshalb sollte nicht bei jedem Raub oder jeder offensichtlichen Erpressung der Streit geführt werden, wie die beiden Delikte voneinander abgegrenzt werden. Insbesondere wenn offensichtlich ein Raub vorliegt, ist es nicht sinnvoll, sich mit dem Streit zu beschäftigen. Denn nach Ansicht der Rechtsprechung ist der Raub vorrangig und nach Ansicht der Lehre schließt der Raub die Erpressung aus.
  • „Antäuschen“: Wenn es in der Klausur auf den Streit ankommt, der Streit also für die Lösung des Falls entscheidend ist, empfiehlt es sich, zuerst das Delikt zu prüfen, welches nicht durchgeht. Anschließend sollte das Delikt geprüft werden, welches auch verwirklicht wurde. Auf diesem Weg wird sichergestellt, dass man nichts übersieht und auch der Korrektor einem nicht vorwerfen kann, etwas übersehen zu haben. In der Lösungsskizze bietet es sich also an, stets beide Delikte zu durchdenken.

Zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen die beiden Ansichten allerdings nur in drei Fällen:

  • Keine Zueignungsabsicht: Wenn der Täter unter Anwendung von willensbrechender Gewalt (sog. vis absoluta) dem Opfer eine Sache ohne Zueignungsabsicht wegnimmt, liegt nach der juristischen Lehre weder ein Raub noch eine räuberische Erpressung vor. Der Raub scheitert an der fehlenden Zueignungsabsicht und die Erpressung an der fehlenden Vermögensverfügung. Nach Ansicht der Rechtsprechung läge allerdings eine Erpressung vor, weil eine Vermögensverfügung nicht erforderlich ist.  
    Beispiel: Der Täter schlägt sein Opfer nieder, um dessen Auto benutzen zu können. Dabei beabsichtigt er, dieses später wieder zurückzubringen.
  • Eigene Sache: Wenn der Täter dem Opfer eine Sache wegnimmt, die dem Täter gehört, und dabei willensbrechende Gewalt einsetzt (sog. vis absoluta). Der Raub scheitert daran, dass die Sache für den Täter nicht fremd ist. Nach Ansicht der herrschenden Lehre scheidet auch eine räuberische Erpressung aus, da keine Vermögensverfügung des Opfers vorliegt. Die Rechtsprechung kommt hingegen zu dem Ergebnis, dass eine räuberische Erpressung vorliegt, da sie keine Vermögensverfügung verlangt.
    Beispiel: Der Täter schlägt sein Opfer nieder, um sich seine zugunsten des Opfers verpfändete Uhr wiederzuholen.
  • Opfermitwirkung: Wenn der Täter mit willensbeugender Gewalt (sog. vis compulsiva) – unter Opfermitwirkung – den Besitz an einer fremden Sache erzwingt, liegt nach der Ansicht der Rechtsprechung ein Raub vor, da nach dem äußeren Erscheinungsbild eine Wegnahme vorliegt. Nach der Lehre handelt es sich hingegen um eine räuberische Erpressung, da eine Vermögensverfügung erforderlich war. Vor dem Hintergrund, dass das Strafmaß gleich hoch ist, hat der Streit in dieser Konstellation keine große Bedeutung.
    Beispiel: Der Täter schlägt sein Opfer so lange nieder, bis es den Tresor mittels einer nur dem Opfer bekannten Zahlenkombination öffnet. Anschließend stößt der Täter das Opfer zur Seite und steckt das Geld aus dem Tresor in seine mitgeführte Tasche.

Häufig gestellte Fragen

Wie unterscheidet sich die Strafe beim Raub und der räuberischen Erpressung?
Sowohl beim Raub als auch bei der räuberischen Erpressung liegt der Strafrahmen bei einem und 15 Jahren Freiheitsstrafe.
Wie erfolgt die Abgrenzung zwischen dem Raub und der räuberischen Erpressung nach der Rechtsprechung?
Die Abgrenzung zwischen dem Raub und der räuberischen Erpressung erfolgt nach der Rechtsprechung anhand des äußeren Erscheinungsbildes. Liegt ein „Nehmen“ vor, handelt es sich um einen Raub.
Wie erfolgt die Abgrenzung zwischen dem Raub und der räuberischen Erpressung nach der Lehre?
Die Abgrenzung zwischen dem Raub und der räuberischen Erpressung erfolgt nach der Lehre danach, ob eine Vermögensverfügung vorliegt oder nicht. Liegt eine Vermögensverfügung vor, handelt es sich um eine räuberische Erpressung. Liegt keine Vermögensverfügung vor, handelt es sich um einen Raub.
Was ist vis absoluta?
Als vis absoluta wird die willensbrechende Gewalt bezeichnet, wenn also das Opfer nicht mehr in der Lage ist, einen Willen zu entwickeln (Beispiel: Das Opfer wird bewusstlos geschlagen).
Was ist vis compulsiva?
Als vis compulsiva wird die willensbeugende Gewalt bezeichnet, wenn also das Opfer weiterhin in der Lage ist, einen Willen zu entwickeln.